Umbrüche in der Medizin

Umbrüche in der Medizin: Wie sollen wir in Zukunft richtig mit unserem Lebensende umgehen?

Vortrag von Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert

Ich war am Dienstag, den 14. bei der Ringvorlesung Umbrüche mit dem Thema Sterbehilfe. Prof. Schöne-Seifert hat darin grob vorgestellt, worum es beim Thema Sterbehilfe geht, was man unterscheiden muss, und warum sie meint, dass eine ärztliche Suizidhilfe der einzige richtige Weg ist, so dies das Gewissen des einzelnen Arztes zulässt.

Sie grenzte die Sterbehilfe von der Sterbebegleitung so ab, dass letztere eine seelsorgerische und pflegende Begleitung der Sterbenden ist, während erstere den Todeszeitpunkt in irgend einer Form verlegt.

Sterbehilfe hat nach unsere Definition grundsätzlich drei ganz wesentliche Voraussetzungen:

  1. Der ausdrückliche Wunsch der Patientin, zu sterben
  2. Das objektive Feststellen, dass eine unheilbare Krankheit vorliegt
  3. Die subjektive Empfindung der Patientin, dass das zu erwartende Leben schlimmer wäre, als der Tod.

Klassisch wird Sterbehilfe in vier Bereiche unterschieden: Die passive, die aktive und die indirekte Sterbehilfe, sowie die Suizidbeihilfe.

Die passive Sterbehilfe ist im allgemeinen anerkannt. Hier wird die Behandlung der Patientin gar nicht erst aufgenommen oder abgebrochen. Dieses passiert auf ausdrücklich oder per Patietenverfügung ausgedrückten Wunsch der Patientin, und dieser Wunsch hat wir allgemein als oberster Maßstab anerkannt. Bei der indirekten Sterbehilfe handelt es sich um in Kauf genommene Nebenwirkungen von tatsächlicher Behandlung, z.B. dass eine höhere Morphiumdosis die Lungenfunktion beeinträchtigt und damit zu einem früheren Tod führen kann. Da immer mehr Medikamente immer weniger letale Nebenwirkungen haben, spielt auch diese Variante eine immer kleinere Rolle.

Die aktive Sterbehilfe ist das aktive, bewusste herbeiführen des Todes der Patientin, ohne, dass dieser von sich aus in einer übersehbaren Zeit eintreten würde. Die Referentin hält es für ausgeschlossen, dass diese Form, die die größte Möglichkeit bietet, eine Dammbruchwirkung zu haben, in absehbarer Zeit oder jemals erlaubt wird. Allerdings spielt auch diese Variante eine vernachlässigbare Rolle, da es moderne Technik in nahezu jedem Zustand der Patientin erlaubt, auf die vierte Möglichkeit zuzugreifen:

Der assistierte Suizid. Dies ist die aktuell heftig diskutierte Variante. Nach dem Strafrecht dürfen Ärzte heute Patienten bei einem Suizid assistieren. Nur das Standesrecht verbietet es ihnen, bzw. Macht es ihnen sehr schwer, dann weiter als Arzt zu praktizieren. Daneben gibt es derzeit Initiativen im Bundestag auch dieses Recht offiziell zu verschärfen. Dann wäre assistierter Suizid nun strafbar, was er vorher nicht war.

Der Verweis der Standesorganisation auf das ärztliche Ethos ist dabei sehr interessant, da die Ärzte damit ihren Ethikstandard selber beschließen können. Eigentlich sollte dieses das Ergebnis eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses sein sollte. Da 70% der Bevölkerung für assistierten Suizid sind, aber nur etwa 30% der Ärzte, gibt dieses einen verzerrten Ethosbegriff innerhalb der Ärzteschaft.

Als einen der wichtigsten Punkte gegen Suizid wird oft das “Recht auf Leben” angeführt. Aus Sicht der Referentin sehr seltsam, da hier eine Recht auf Leben zu einer Pflicht zu leben umdefiniert wird.

Frau Schöne-Seifert listete eine Menge mehr Punkte auf, die gegen einen assistierten Suizid sprechend und widerlegte jeden einzelnen Punkt als in sich nicht schlüssig. Leider hatte ich mir keine Aufzeichnungen gemacht, so dass ich zu diesem Punkt nicht viel schreiben kann und auf die hoffentlich schnelle Veröffentlichung des Vortrags auf YouTube verweisen muss.

Zuletzt ging sie noch darauf ein, welche Gruppe für assistierten Suizid in Frage kommen:

  1. Unheilbar Kranke mit absehbarem Tod. Zum Beispiel ist in Oregon, USA assistierter Suizid erlaubt, wenn zwei Ärzte bestätigen, dass die zu erwartende Lebenszeit weniger als 6 Monate beträgt.
  2. Unheilbar Kranke, ohne absehbaren Tod. Zum Beispiel würden hier zusätzlich Alzheimer-Patienten, oder Patienten, die sich nicht mehr bewegen können, fallen.
  3. Unheilbar Kranke, auch psychologische Fälle. Ich habe diese Definition nicht 100% verstanden, könnte mir aber vorstellen, dass darunter zum Beispiel der Gefangene, der in Belgien Selbstmord begehen wollte, fällt.
  4. Lebensmüde ganz allgemein. Udo Richter, der letztes Jahr Selbstmord verübt hat, sprach sich zum Beispiel für diese Sichtweise aus. Wer sterben will, der soll es auch.

Sie sprach sich dafür aus, den Gruppen 1+2 die Möglichkeit zu geben, assistierten Suizid zu nutzen.

Ich fand den Vortrag sehr gelungen und trotz des Themas kurzweilig. Hier wurden nicht einfach nur Pro-Sterbehilfe-Argumente verbreitet, sondern gut begründete Argumente gebracht. Es ist schade, dass ich genau in diesem zentralen Bereich keine vernünftige Zusammenfassung geben kann, aber vielleicht hilft Euch ja das restliche Text trotzdem in Gesprächen über die Sterbehilfe.