Kirchenzeitung!

Eines der Ziele der ‘GBS Göttingen’ ist es ja, die Säkularisierung zu fördern. Wenn ich mit Leuten aus der Türkei, aus arabischen Ländern oder aus Südamerika über dieses Thema spreche, stoße ich oft auf Verwunderung. Ja, Deutschland ist im Vergleich zu vielen Ländern säkularer. Bei Durchblättern der „Welt am Sonntag“ vom 31. März 2015 kam mir mal wieder der Gedanke, dass die Säkularisierung auch schon bei der Presse einsetzen sollte. Sicher, Springer-Presse, ich hätte gewarnt sein können, aber nach meiner Erfahrung ist das bei anderen großen Tageszeitungen auch nicht besser.

Ich blättere also den Politikteil durch. Es geht eigentlich um die FIFA-Affäre, also um Verlust des Glaubens an den Fußball-Gott auf Seite 1 bis 4. Dann auf Seite 5 ‚Genossen mit Draht zu Gott’, Bericht über einen Pfarrer und Sozialdemokraten in Jerusalem: „Ein paar Hundert Meter weiter befand sich das biblische Bethanien; hier wurde Lazarus von Jesus auferweckt.“ Nein, wurde er nicht.

Zum deutschen Pfarrer in Jerusalem gesellt sich dann eine christliche Bürgermeisterin in Anatolien, immer noch im Politikteil.

Weiter geht’s mit den Leserbriefen. Der erste Brief, ‚Kinder sind spirituell’: „Es ist daher sehr zu begrüßen, dass Sie Pfingsten zu würdigen wissen und der Artikel hoffentlich manchen ermuntert und stärkt, andere für Glauben, Religion und Christentum zu begeistern. … Die Taube ist Sinnbild für den Heiligen Geist, der uns Kraft, Mut und Verstand gibt.“ Insgesamt bisher erfrischend, diese Mischung aus impliziter und expliziter Indoktrinierung.

In der Spalte daneben, es geht um das Recht auf Heirat für Homosexuelle, heißt es inhaltlich ganz zutreffend: „Die Ehe war ohnehin nicht nur ein Gesellschaftsvertrag, sondern vor allem ein Sakrament. … Aus der strikten Beschränkung des sexuellen Begehrens auf die Reproduktion zog die Kirche den Vorteil, nahezu jedermann zum Sünder zu machen.“

Eine Seite weiter, wir sind immer noch im ‚Forum’ des Politikteils, wird es dann wieder explizit: Es diskutieren tatsächlich ein Katholik und eine Protestantin über das alte Testament. Wow. Matthias Matussek, haben Sie nicht früher beim ‚Spiegel’ ihr Unwesen getrieben?

Passend dazu, und daher direkt daneben, unter dem Titel ‚Charme und Demografie’ die erschreckende Nachricht dass, im Vergleich zu Deutschland „in keinem anderen Start des Planeten so wenige Kinder geboren werden. 8,2 je 1000 Einwohner waren es in den vergangenen fünf Jahren. Nach und nach dürfte dem Standort Deutschland eine wichtige Ressource ausgehen: die Ressource Mensch. Hervorragend ausgebildete Arbeitskräfte werden fehlen, jene klugen Köpfe die unsere hoch technisierte Wirtschaft am laufen halten.“ Da diese Zahl natürlich falsch ist, es sind 8,2/1000 pro Jahr, nicht in 5 Jahren (gemeint ist der Durchschnitt von fünf Jahren) möchte man, frei nach 1. Mose 9:7, nur noch vorschlagen: „Seid fruchtbar, aber mehret erst mal euer Mathe-Verständnis.“

Einen wunderbaren Abschluss findet der Politik Teil dann mit einem Zitat von Justin Bieber: „Meine Beziehung zu Gott zu entwickeln war das Coolste, was ich je erlebt habe.“ Dem gibt es nicht viel hinzuzufügen. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass hier (unbewusst?) versucht wird, vom kranken Fußballgott durch die Besinnung auf diesen anderen Gott abzulenken. Und, ich wie gesagt, das war nur der sog. Politikteil, die Kirchentagsberichterstattung steht noch aus.