Quacksalber unserer Zeit

Vergangenen Montag lief in der ARD die geballte Ladung Scharlatanerie. Sowohl „#BECKMANN“ als auch „hart aber fair“ befassten sich mit merkwürdigen Heilungsversuchen und Impfkritik. Besonders drastisch war zunächst die Reportage in der Sendung „#BECKMANN“, die einigen gefährlichen, illegalen und nutzlosen Heilungsversuchen nachging. So sollten unter anderem mit MDMA (Ecstasy) psychische Krankheiten behandelt werden, mit brutalen und schmerzhaften Methoden Rückenschmerzen gelindert werden und mit kostspieligen Telefongesprächen die Zukunft vorhergesagt werden. Dass Menschen, die in unterschiedlichsten Notlagen jeder potentiellen Erlösung hinterher rennen, derart manipulativ ausgebeutet werden, ist schwer zu ertragen. Es ist auch keinesfalls lustig, wenn leidende Menschen abstrusesten Ideen folgen, sondern es ist auf Seiten der Scharlatane in höchstem Maße unmenschlich und muss verachtet und bekämpft werden.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde bei „hart aber fair“ ging es um zwei Themen, die in Deutschland deutlich mehr Zuspruch erhalten als das, was „#BECKMANN“ zuvor präsentierte: Impfkritik und Homöopathie. Hier zeigte sich ein immer wiederkehrendes Problem bei Diskussionen zu diesen Themen. Es mangelt an einem Verständnis dafür, dass nicht alles, was als Argument ausformuliert werden kann, auch als solches respektiert werden muss. So musste der Zuschauer ertragen, dass beispielsweise das zeitlose Mantra der „Natürlichkeit“ als Pseudoargument fürs Nichtimpfen herhalten musste. Hier stellt sich die Frage: Welche unnatürlichen Hilfsmittel sollten noch wegfallen? Vielleicht sollte man nicht nur Masern „durchmachen“, sondern auch Kurzsichtigkeit oder die Kälte im Winter? Nicht, dass wir den natürlichen Lauf der Dinge zu sehr missachten.

Verständnis wurde in der Diskussion zu Recht für das Dilemma der Eltern geäußert. Für Menschen ist die Stochastik der Gefahren beim Impfen schwer zu begreifen. Wenn man sein Kind impft und tatsächlich einer der hypothetischen Krankheitsfälle danach eintritt, würde man sich unmittelbar verantwortlich für das Leid des Kindes sehen. Wenn hingegen eine Krankheit ohne Impfung eintritt, kann man es eher als höhere Gewalt abtun und ist zumindest nicht direkt in der Schuld. Eine humanistische Kritik an menschlichem Verhalten sollte sich immer für Aufklärung einsetzen – ein Angriff auf einzelne Personen, die aus unterschiedlichsten Gründen unsicher in ihren Entscheidungen sind, nützt niemandem. Eine konfrontative Auseinandersetzung mit den Verbreitern von Lügen und Fehlinformationen ist allerdings notwendiger Bestandteil dieser Kritik.

Die Homöopathie, die von einer Arzt-Quacksalber-Mischung und einer Vertreterin der unsäglichen und therapieverschleppenden „Homöopathen ohne Grenzen“ verteidigt wurde, kam bei aufmerksamem Zuschauen zum Glück nicht gut weg. Zwar wurde auch hier unwissenschaftlichem Nonsens Raum geboten, allerdings sollte die eine oder andere Spitze vernunftbegabten Zuschauern zu denken gegeben haben. So konnte Eckart von Hirschhausen darauf hinweisen, dass neben dem offensichtlichen Placeboeffekt alternativer Heilmethoden auch manchmal schlicht die Nichttherapie mittels obskurer Methoden besser sein kann als falsche Therapie durch evidenzbasierte Medizin. In diese Richtung verweist auch unfreiwillig jeder, der die Homöopathie mit ihrem Mangel an Nebenwirkung verteidigen will, denn etwas, das nicht wirkt, wirkt weder gut noch schlecht.

Kurzum: Für die informierten Zuschauer bieten die beiden Sendungen Grund zum Aufregen („#BECKMANN“) und Mitfiebern (wann spricht die vernünftige Minderheit in der Diskussion bei „hart aber fair“ wieder?). Anderen könnte die naturgemäß schwächelnde Scharlatanerievertretung in beiden Sendungen zu viel „seelisches“ Leid bescheren.

Die Folge von #BECKMANN kann hier und die Folge „hart aber fair“ hier gefunden werden.

(Anm. d. Red.: Die früher vorhandenen Links funktionieren inzwischen nicht mehr und wurden darum entfernt. Die Studienlage zur Anwendung von MDMA/Ecstasy in der Psychiatrie sieht inzwischen auch anders aus als zum Zeitpunkt des Verfassens des Artikels: Suche nach “MDMA” bei PubMed. – hlu, 2020-09-28)